Freitag, 23. März 2012

Vereidigung eines Bundespräsidenten

Es hat sich im laufe der Wochen irgendwie eingebürgert, dass ich morgens nach dem Aufstehen direkt schon einen Termin habe. - Ohne dass je drüber geredet wurde oder dass man gemeinsam übereingekommen wäre. Denn Michael ist immer schon viel früher wach als ich - oder als sonst jemand aus der WG.
Sollte ich mal etwas vor meinem Wecker durch den Flur Richtung Toilette streifen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Michael sich gerne mit mir unterhalten möchte. Glücklicherweise versteht er sehr gut, wie wichtig mir mein Schlaf ist, wenn ich mit den Worten "ich lege mich jetzt erst nochmal hin und frühstücke dann später" in mein Zimmer zurückkehre. - Heute sollte das jedoch nicht geschehen.

Mein Morgen beginnt zu früh, schon um 6:30 Uhr. - Heute sollte ich den Chef nämlich schon um 8:30 im Paul-Löbe-Haus, Zimmer E.200, treffen.
Wie immer, steht Michael schon erwartungsvoll vor meiner Tür und eskortiert mich mit großer Freude wohin ich auch gehe. Nächster Halt: Küche. - Etwas verwundert kam ich rein, denn ich bemerkte sofort, dass alles Mögliche noch auf dem Tisch stand. Bevor ich mit meinen Gedenken viel weiter gekommen wäre, verkündete Michael laut: "Ich habe dir auch schon den Tisch gedeckt!" - In der Tat, das hatte er: Genau nach dem Muster, wie ich in den vorherigen Tagen gepflegt hatte den Tisch zu denken. Hatte ich aufgrund der Zeit nicht Zeit mir Gedanken zu machen, war ich dennoch sehr berührt, denn das hatte ich nicht erwartet.

8:24 Uhr erreichte ich den Treffpunkt - eigentlich ein Tag wie jeder andere...hätte die Polizei nicht den gesamten Platz um den Reichstag zur Sicherheitszone gemacht. - Kein Problem aber für Leute mit Hausausweis: Einfach nur Kärtchen zücken und passieren! Und dann wäre da noch die ganze Presse. Eigentlich sind Horden von Publizisten kein besonderer Anblick, aber heute versammelte sich die ganze Latte, als sei gerade Bienenkönigin samt Schwarm ausgeflogen. - Und in gewisser Weise ist ja genau das passiert: Bundespräsident Gauck wird im Reichstag vereidigt.

Eine halbe Stunde nach der
Vereidigung: Immer noch
Presse en Masse.

8:45 Uhr: Dank meines Chefs konnte ich noch einen Platz auf der Besuchertribüne ergattern und konnte dieses einzigartige Erlebnis live miterleben. Gaucks Rede fand ich gar nicht so gut, umso besser fand ich jedoch die Rede des Bundestagspräsidenten Dr. Lamert. Abgesehen von den Reden, beeindruckt mich das ganze Geschehen. (Was nicht bedeutet, dass ich keinerlei Vorbehalte oder Fragen hätte.) - Ich war sehr bewegt, auch wenn ich nicht genau weiß wie oder warum. Ich hatte an zwei Stellen sogar Tränen in den Augen. Nichts davon kann ich mir so recht erklären, außer dass irgendwas "war". (Ich bin selbst mit diesem Erklärungsversuch unzufrieden.)

Nach der Zeremonie taumelte Presse aus ganz Europa im Reichstagsgebäude herum. - Eine gute Gelegenheit sich manches näher anzuschauen. Jetzt hatte ich erst mal bis 15 Uhr frei. Diese Zeit nutzte ich, um trotz herrlichen Sonnenscheins meine Hausarbeit in der Bibliothek weiter zu schreiben. Dann Mittagessen und durch die Gebäude des Deutschen Bundestages umherziehen, um Bildmaterial für meinen nächsten Video-Blog anzufertigen.

Mein Tag war erst um 21 Uhr zu Ende, als ich ermüdet die Wohnung betrat. Ab dem Nachmittag hatten wir (das Abgeordnetenbüro) einige Jugendliche aus dem Wahlkreis vom Leo-Club im Haus. Es stand ein Abgeordnetengespräch mit gründlicher Hausführung, Abendessen, Tribünenbesuch im Reichstag und gemeinsamen Ausklang auf dem Plan. Nach so einem Tag konnte man nur platt sein.

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